Predigt am 5. Nov. 2023 - 31. So. p.a. A

Das waren noch Zeiten, als Priester bar jeder Kritik waren – wie ja auch Lehrer und Ärzte, also die sogenannten Autoritätspersonen. Heute ist es mehr die Aura früherer Vorrangstellung als Realität – die Zeiten haben sich geändert.

Auch innerkirchlich hat der Klerikalismus längst abgewirtschaftet. Papst Franziskus macht ihn hauptsächlich verantwortlich für den Missbrauch Schutzbefohlener durch Priester. Und sicher nicht zu Unrecht.

Offensichtlich war das Selbstbewusstsein, was Besseres zu sein und über anderen zu stehen, immer schon eine gefährliche Falle für Funktionäre der Religion. Was wir im Blick auf die Evangelien als Pharisäismus bezeichnen, ist wohl neudeutsch Klerikalismus. Fehlende Authentizität eben.

Denn wenn jemand zwar Wasser predigt, aber selber Wein trinkt, wie man so sagt – das glaubt dann kein Mensch. Jedenfalls dann nicht, wenn es rauskommt.

Aber auch wenn es nicht ans Licht kommt, kann es natürlich nicht sein, dass ich von anderen etwas erwarte, das ich selber nicht tue. Das ist pure Heuchelei, und das ist unerträglich.

„Hört auf ihre Worte, aber schaut nicht auf ihre Taten“ – dieses Jesuswort über die Pharisäer ist starker Tobak. Ich muss da an die theologische Überzeugung der Kirche von alters her denken, dass die Sakramente auch dann gültig gespendet werden, wenn der Spender, also der Priester, unwürdig ist. Und das könnte man gut auf dieses Jesuswort übertragen. Denn es kommt letztlich nicht auf den Verkünder an, sondern einzig und allein auf die Botschaft.

Also auch wenn ein Priester unglaubwürdig handelt, so verkündigt er ja dennoch das Evangelium Jesu Christi und feiert in der Person Christi die Eucharistie.

Mir hat es da immer geholfen, dass ich bei negativen Erfahrungen innerhalb der Kirche mir immer bewusst gemacht habe, warum ich in der Kirche lebe. „Wegen dem bin ich nicht gekommen, also gehe ich auch wegen dem auch nicht weg“, ist nicht die schlechteste Haltung. Weil es mir in der Kirche darum geht, das Zuhause meines Glaubens zu leben und diesen Glauben in die Tat umzusetzen. Und nicht um irgendwelche Funktionäre, die mir möglicherweise die Sicht auf das Wesentliche versperren.

Von daher: Ja, hört auf ihre Worte, auch wenn sie es selber nicht tun. Hört auf die Botschaft des Evangeliums, auch wenn sie oft ganz schon unglaubwürdig daherkommt durch uns Botschafter. Hört auf Jesus, der in seiner Kirche lebt und wirkt und zu uns spricht und uns das Brot des Lebens reicht. Durch die Hände von Menschen, das ist wahr. Und doch ist es immer ER selber, dem ich begegnen darf.