Tagesablauf

Das Gemeinschaftsleben ist geprägt durch den Wechsel von Gebet, Lesung und Arbeit. Die Priorität genießt das Offizium – die kanonischen Gebetszeiten, die hier in Marienstern seit mehr als 750 Jahren ununterbrochen erklingen. Die Zeiten des Gebetes strukturieren den Tag und bieten die Möglichkeit, immer wieder den Geist auf das Wesentliche, auf Gott zu lenken. Sie bilden den Rahmen für das monastische Leben. In Marienstern sieht der Tag folgendermaßen aus:
 
4:30 Uhr Vigil (Nachtwache)
Diese Gebetszeit besteht aus Psalmen und Lesungen, sie wird in zwei, an Fest- und Sonntagen drei Teile (Nokturnen) gegliedert. Die Erwartung des Herrn, des neuen Tages, das Sprechen in die Stille der Nacht, geben dieser Gebetszeit eine ganz eigene, ruhige Atmosphäre, getragen von der Sehnsucht der Begegnung (Communio) mit Gott und dem Nächsten.
anschl. Betrachtung
 
6:00 Uhr Laudes (das Morgenlob)
Das aufgehende Licht des Morgens weist auf die Auferstehung Christi hin. Die Nacht ist überwunden, mit der Nacht auch das Dunkel unseres Lebens: das Leid, der Tod. Grund genug, um Gott täglich neu zu loben und ihm zu danken. Zugleich werden wir ermuntert, gleichsam mit Christus täglich neu aufzuerstehen, sich täglich dem Leben zu stellen, es in uns leuchten zu lassen. Den Höhepunkt des Morgenlobes bildet der Benedictus, der Lobgesang des Zacharias (vgl. Lk 1,68-79).
anschl. geistliche Lesung
 
6:50 Uhr Kapitel (im Kapitelsaal)
Täglich wird der Gemeinschaft ein Stück aus der Regel Benedikts vorgelesen, um diese mehr und mehr kennen zu lernen und sich zu eigen zu machen. Dies geschieht im Kapitelsaal. Zudem gedenkt man dort der Verstorbenen des Tages und betet für sie. Im Mittelalter wurden die Schwestern im Kapitelsaal oder auch im Kreuzgang bestattet.
 
7:00 Uhr Eucharistiefeier
Die Quelle und das Ziel unseres Lebens finden wir in der täglichen Feier der Geheimnisse des Blutes und des Leibes Christi. Die Gemeinschaft versammelt sich mit der Gemeinde zum Gottesdienst. Wir bemühen uns, diesen Gottesdienst besonders würdig zu gestalten. Dreimal in der Woche singen wir dabei den Zisterzienserchoral.
anschl. Terz (Gebet zur 3. Stunde)
Die Apostelgeschichte berichtet davon, dass der Hl. Geist in der dritten Stunde über die Jünger ausgegossen wurde. So rufen wir bei dieser Gebetszeit besonders den Hl. Geist an, bitten um seine Kraft und Freude.
Frühstück
 
ab 8:30 Uhr Arbeitszeit
Jede Schwester bekommt im Kloster Arbeiten zugewiesen, für die sie verantwortlich ist. Die Äbtissin verteilt diese Arbeitsbereiche. Auch während der Arbeit versuchen wir, auf die Stimme Gottes zu hören, die Verbindung mit Gott zu halten.
 
11:30 Uhr Sext und Non (Mittagshoren, Gebet zur sechsten bzw. neunten Stunde)
Heilsgeschichtlich steht bei diesen Gebeten das Leiden (Sext) und Sterben Christi (Non) im Mittelpunkt.
 
12:00 Uhr Mittagessen, anschl. Rekreation
Nach dem Mittagstisch schließt sich eine Zeit der gemeinsamen Erholung (Rekreation) an, danach eine kleine persönliche Freizeit.
ab 14:00 Uhr Arbeitszeit
 
17:00 Uhr Vesper (Sa./So. 16:30 Uhr)
Die Vesper ist das Abendlob der Kirche. Vesperbilder zeigen sehr anschaulich, was diese abendliche Stunde heilsgeschichtlich prägt: der vom Kreuz abgenommene Leichnam Jesu liegt im Schoß seiner Mutter Maria. Der Lobgesang Mariens, das Magnifikat, prägt dieses Gebet auf besondere Weise (vgl. Lk 1,46-55). Im Dank für das nun abnehmende Licht des Tages erkennen wir das Licht des Ewigen Lebens, welches uns über den Tod hinaus leuchtet.
 
17:45 Uhr Abendessen im Refektorium
In der Regel wird beim Essen geschwiegen, um die Worte des (Vor-)Lesers gut zu verstehen, denn auch der Geist verlangt nach Nahrung.
 
19:00 Uhr Komplet (Gebet zur Nacht)
„Du brauchst dich vor dem Schrecken der Nacht nicht zu fürchten, […] denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen”, heißt es im Psalm 91,5a.11. Die Komplet, das Nachtgebet der Kirche, ist zutiefst eschatologisch geprägt und lässt die Zeit innehalten, lässt uns ruhig werden und auf das Ende schauen. Sie lässt uns den sich neigenden Tag und die Sorgen um das Morgen ablegen und uns in Seine Obhut geben, um der Stille der Nacht zu lauschen. Der Lobgesang des greisen Simeon (vgl. Lk 1,29-32) erklingt im Nachtgebet der Kirche an zentraler Stelle, gehört aber traditionell nicht zur Komplet der Zisterzienser.
Nach der Komplet beginnt das so genannte „große Schweigen” – die Schwestern sprechen in der Regel bis zum Morgen nicht mehr miteinander. Dies gewährleistet einerseits Ruhe für die Gemeinschaft, versinnbildlicht aber auch das Zurückziehen Christi in das Schweigen einsamen Gebetes mit dem Vater bei Nacht.
 
Dieser ausgewogene Wechsel ist ein ruhendes Moment des monastischen Lebens. Ähnlich wie beim Wellengang am Meer, wo Ebbe und Flut einander ablösen, kann sich innerhalb dieser Ausgewogenheit fruchtbare Bewegung, kann sich Leben entfalten – nicht nur im Hinblick auf die Gemeinschaft, sondern auch für den Nächsten, für die Mitwelt.
Die Gefahr der Stagnation, der Selbstzufriedenheit und der Erstarrung ist unter solchen Bedingungen aber auch sehr groß. Hier gilt es in besonderer Weise aufmerksam zu sein, sich korrigieren zu lassen, sich zu öffnen. Der tägliche Rhythmus der Gebetszeiten ist in den größeren liturgischen Rhythmus des Jahres eingebettet, welcher gleichsam in die Phasen des Lebens einfließt.